Preisbewertungssysteme der Internet-Autobörsen
Eine Betrachtung der BVfK-Rechtsabteilung in juristischer Hinsicht
„Die Autosuchenden verlangen nach solchen Informationen“ lautet die Rechtfertigung der Kfz-Internetbörsen zur Einführung Ihrer Preisbewertungssysteme. Die Händler sind davon, bzw. von der Umsetzung überhaupt nicht begeistert: „90% der Bewertungen sind unzutreffend“ schallt es von der Verkaufsfront. Die Kritik ist so massiv, dass die BVfK-Rechtsabteilung den Auftrag zur entsprechenden rechtlichen Prüfung erhielt.
Objektive Bewertung. Zunächst stellt sich dabei die Frage, ob eine objektive Bewertung überhaupt möglich ist, bzw. wie man eine möglichst hohe „Trefferquote“ erzielen kann.
Algorithmus. Die alles entscheidende Frage lautet daher: Kann ein Algorithmus tatsächlich fehlerfrei beurteilen, ob ein zum Verkauf angebotenes Fahrzeug im direkten Vergleich mit ähnlichen Fahrzeugen zu einem „sehr guten Preis“ angeboten wird oder vielleicht sogar ein „Top Angebot“ darstellt, oder als zu teuer deklassiert wird? Welche Kriterien müssen einer solchen Analyse dann zugrunde liegen, damit diese möglichst exakte Ergebnisse liefert? Und darf eine fremde Instanz überhaupt so-mir-nichts-dir nichts über Angemessenheit individueller Preise urteilen?
Fehlbewertungen - 90% oder nur 2%? - Bereits 2015 hatte der Anbieter PKW.de seinen Nutzern eine solche Vergleichsmöglichkeit zur Verfügung gestellt und sogar ein TÜV-Zertifikat hierfür erhalten. Dieser hat zur Überprüfung der Genauigkeit des verwendeten Algorithmus „eine Zufallsstichprobe von insgesamt 300 Fahrzeugbewertungen […] auf Basis der vom Verkäufer gemachten schriftlichen Angaben“ durchgeführt, wobei sich herausstellte, dass der Preis in nicht mehr als 2 % der Fälle um mehr als 15 % von der Bewertung durch einen Sachverständigen abwich.
Erheblichkeitsschwelle. Sollte die Untersuchung des TÜVs zum richtigen Ergebnis geführt haben, dürfte die so genannte „Erheblichkeitsschwelle“, auch wenn diese im vorliegenden Zusammenhang noch nicht definiert wurde, wohl eher nicht überschritten sein. Allerdings stellt sich auch die Frage, ob die regelmäßig 30.000 Anbieter von um mehr als 15% falsch bewerteten Angeboten dies auch so gelassen sehen? (30.000 = 2% des durchschnittlichen mobile.de-Bestands).
Alles in allem dürfte jedoch angesichts der zahlreichen Rückmeldungen aus dem Handel davon ausgegangen werden, dass, wenn nicht 90%, so zumindest ein signifikanter 2-stelliger Prozentsatz der Angebote mit unzutreffenden Preisbewertungen versehen ist.
Auswirkungen auf den Markt: Falsche Preisbewertungen greifen massiv in den Markt ein.
- Der Verbraucher leidet, da der Handel seine Aufwendungen rund um den Verkauf auf ein Minimum reduzieren wird.
- Unseriöse Anbieter werden zum Schaden von Verbrauchern und seriösen Händlern neue Formen des Preisstrippings erfinden, um mit nicht realisierbaren Nettopreisen Kunden anzulocken.
- Die Rentabilität des Handels leidet, da die Systeme eine zusätzliche Preisspirale nach unten erzeugen, weil jeder versucht, durch Reduzierung seines Preises zu einer besseren Bewertung zu gelangen.
Diese Erkenntnisse bieten für die BVfK-Rechtsabteilung Anlass zur Betrachtung der Preisbewertungssysteme unter (wettbewerbs)rechtlichen Gesichtspunkten, denn sie sind durchaus geeignet, das Kaufverhalten eines Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen, da das hierdurch veranschaulichte Preis-Leistungsverhältnis das wohl wichtigste Kaufkriterium darstellt.
Wettbewerbsrechtliche Relevanz: Es sind zwei Bereiche zu prüfen:
1. Das Ergebnis eigenen Handelns, wozu die Preisbewertungen zählen dürften.
2. Förderung der im System stattfindenden Täuschungen und Irreführungen durch deren Nutzer.
Während die Internetbörsen auf jeden Fall für das eigenen Handeln verantwortlich sind, trifft sie hinsichtlich der Prüfung der eingestellten Angebote nur eine „zumutbare“ Kontrollpflicht, woraus ggf. auch im Zusammenhang mit der so genannten „Störerhaftung“ eine entsprechende Verantwortung abgeleitet werden kann. Zur Begründung eines solchen wettbewerbsrechtlichen Verstoßes i.S.d. § 3 UWG ist es insofern erforderlich, dass die Börsen die ihnen obliegende Sorgfalt nicht eingehalten haben.
Insoweit wird also zu untersuchen sein, ob die Beurteilungskriterien hinsichtlich Ihres Umfangs, ihrer Vergleichbarkeit und Aktualität ausreichend erscheinen. Da die Internetbörsen selbst einräumen, nur über die begrenzten Kriterien zu verfügen, die für die Eingabe eines Fahrzeugangebotes notwendig sind, dürfte bereits jetzt klar sein, dass die Systeme eine Vielzahl wertbildender Faktoren nicht berücksichtigen. Nach BVfK-Vertragsanwalt Guido Bockamp bringen sich die Plattformen ganz unmittelbar in den Entscheidungsprozess der Verbraucher ein, wenn diese „nun auch noch selbst Aussagen über die Angebote trifft und nicht etwa nur die Aussagen von Nutzern wiedergibt. Eine Aussage über das Preis-Wertverhältnis eines Fahrzeugs oder die Platzierung eines Fahrzeuges innerhalb einer Spanne von Angebotspreisen bedeutet immer auch, Partei zu ergreifen für den einen Anbieter und gegen die anderen. Es vertraut der Verbraucher dann auch darauf, dass diese Preiseinschätzungen objektiv begründbar sind. Und dies nicht manchmal oder meistens sondern immer!“ Soweit RA Bockamp aus Kassel.
Abmahnbefugnis / Aktivlegitimation. , Neben den hierfür zuständigen Berufsverbänden und klassischerweise den im Wettbewerb stehenden Unternehmen können auch Kunden der Internetbörsen abmahnen und Klage auf Unterlassung erheben. Jedenfalls äußert sich Bockamp auch hierzu entsprechend: „ Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort aus dem Jahr 2015 eine klare Position formuliert: Verstößt ein Portal gegen Bestimmungen des UWG zum Schutz von Gewerbetreibenden können betroffene Unternehmen dagegen mit Abmahnungen und gegebenenfalls Klagen vorgehen.“
Politische Relevanz. Es werden auf Regierungsebene bereits Forderungen nach mehr Transparenz laut. Dies scheint vor dem Hintergrund der hohen Akzeptanz solcher Internetbewertungen dringlich geboten, denn nach Auffassung der BVfK-Rechtsabteilung dürften die Anforderungen an Transparenza und Objektivität zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfüllt und aufgrund der Zulassung größerer Abweichungen nicht gewährleistet sein. Die Entwicklung einer Norm der Preisbewertungsalgorithmen durch ein unabhängiges, aus allen wichtigen am Automarkt teilnehmenden Verkehrskreisen gebildeten Gremium wäre daher mehr als nur wünschenswert.
Perspektive: Begrüßenswerterweise sind dem Bundeskartellamt durch die 9. GWB-Novelle nunmehr auch Kompetenzen im Bereich des Verbraucherschutzes zugewiesen worden. Sektoruntersuchungen von Vergleichsportalen wurden bereits eingeleitet, zunächst in den Bereichen Reise, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energie. Es ist daher damit zu rechnen, dass auch die Kfz-Internetbörsen bald in den Fokus dieser Kontrollbehörde rücken.
Matthias Giebler, BVfK-Rechtsabteilung
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